Die Organspende ist ein viel und kontrovers diskutiertes Thema. Nahezu Einigkeit besteht hinsichtlich des Nutzens des Empfängers, wenn dieser für sein eigenes Überleben menschliche Organe zur Transplantation von einem Organspender erhält. Fast jedes Organ -vorausgesetzt ist dessen Gesundheit- kann heute transplaniert werden.
Aber auch Lebendorganspenden sind mittlerweile nicht mehr selten. Hier werden einem gesunden Menschen ohne medizinische Notwendigkeit Organe oder Organteile zur Spende entnommen.
Derzeit werden in Deutschland vor allem Nieren und Teile der Leber von lebenden Spender*innen auf Empfänger*innen übertragen. Medizinisch möglich und gesetzlich erlaubt ist auch die Übertragung eines Teils der Lunge, des Dünndarms und der Bauchspeicheldrüse. Die Lebendorganspende dieser Organe wird jedoch in Deutschland kaum durchgeführt. Die Spende einer Gebärmutter ist hier zutage in der Experimentalphase.
Da bei der Lebendorganspende der Schutz der Gesundheit der Spender*in ein besonders hoher Stellenwert einzuräumen ist, wurde diese gesetzlich sehr streng geregelt und war daher in der jüngsten Vergangenheit gleich mehrfach Verfahrensgegenstand beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe, der die Revisionen in allen Fällen zuließ (Urteile vom 29. Januar 2019 – VI ZR 495/16 und VI ZR 318/17; sowie vom 11.Februar 2020 – VI ZR 415/18).
In seinen Urteilen hat der BGH diese Verfahren an das Ausgangsgericht, dem jeweils vorentscheidenden OLG zurückverwiesen, da diese das Aufklärungserfordernis und die Einwilligung des Spenders fehlerhaft bewerteten. Denn nach den Feststellungen des BGH wurden die jeweiligen Kläger, nicht ordnungsgemäß über die gesundheitlichen Folgen der Organentnahme für ihre eigene Gesundheit aufgeklärt. Damit ist die von den Klägern erteilte Einwilligung in die Organentnahme unwirksam und der Eingriff jeweils rechtswidrig. Die transplantierenden Ärzte wandten hiergegen ein, dass die Kläger auch bei korrekter Aufklärung, dem sog. rechtmäßigem Alternativverhalten, in jedem Fall in die Lebendspende eingewilligt hätten.
Der für das Arzthaftungsrecht zuständige VI. Zivilsenat des BGH hat in seinen Urteilen zu den Lebendorganspenden auch zu weiteren juristischen Problemen Stellung genommen. Es wurden nämlich zusätzliche Rechtsfragen dergestalt beleuchtet, ob die Anwesenheit eines unbeteiligten Arztes und die qualifizierte Niederschrift tatsächlich „nur“ transplantationsrechtliche Erfordernisse sind oder sogar auf die Einwilligung des Spenders Einfluss nehmen, oder ob die hypothetischen Einwilligung aus dem Patientenrechtegesetz (§ 630 h Abs. 2 Satz 2 BG) gilt, auch wenn es diese nach dem Transplantationsgesetz nicht gibt. Diese Inhalte lassen vermuten, dass die Entscheidungen des BGH bereits an dieser Stelle über den Einzelfall hinausgehend Bedeutung haben werden. Denn aller Voraussicht nach werden diese Feststellungen zukünftig den Maßstab setzen, wie ein potentieller Lebendorganspender aufzuklären ist, um wirksam in die Lebendorganspende einwilligen zu können.
Der vorstehende Rechtsstreit (BGH-Entscheidung vom 11.Februar 2020 – VI ZR 415/18; OLG Jena 7 U 593/17) wurde durch unsere Kanzlei, nach dem der BGH die Angelegenheit an das OLG Jena zurückverwiesen hat, verhandelt.
Unsere Mandantin wollte ihrer kranken Mutter einen Teil ihrer Leber spenden. Sie nahm jedoch selbst über Jahre hinweg Psychopharmaka ein. Ihre Leber war so vorgeschädigt, dass unsere Mandantin mehr nicht als Spenderin in Betracht kam. Die Universitätsklinik wusste um die Medikamenteneinnahme der Tochter, hat sie aber dennoch als Spenderin zugelassen. Aufgeklärt wurde sie durch einen Facharzt über die Ausführung und die klassischen Komplikationen bei einer Lebensleberspende ohne Hinzuziehung eines unbeteiligten Arztes. Über die möglichen psychischen Folgen für sie nach der Spende wurde sie hingegen nicht aufgeklärt. Unsere Mandantin willigte in die OP ein. Noch während der Operation bemerkten die Ärzte, dass ihre Leber für eine Spende nicht in Betracht kommt und haben die Operation abgebrochen.
Es kam, wie es kommen musste. Unsere Mandantin erlitt verfahrensimmanente Komplikationen, wie Narbenbrüche und eine schwere Depression, an der sie noch heute leidet. Sie entschied sich, das Klinikum zu verklagen und unterlag in zwei Instanzen, bis der BGH die Urteile aus oben benannten Gründen aufhob und das Verfahren zurück an das OLG verwies. Nach einer ausführlichen Beweisaufnahme durch Vernehmung der aufklärenden Ärzte und unserer Mandantin war das Gericht nicht mehr von einer hinreichenden Aufklärung überzeugt und unterbreitete den Parteien den Vergleich, den Rechtsstreit gegen eine Abfindung in Höhe von 100.000,00 EUR zu beenden. Beide Parteien haben diesem Vergleich zugestimmt.